Während meines Diplomstudiums für Physik habe ich immer auch auf Lehramt Mathematik studiert, auch die sog. P-Fächer absolviert: Pädagogik und Philosophie. Das waren vor 50 Jahren eher Randgebiete des Lehramtsstudiums, dafür durften wir uns fachlich intensiver mit der eigentlichen Materie beschäftigen.
Heute heißt zu fachlichen Inhalten es oft: Das brauchen Sie nicht zu wissen...Sie werden ja nur Lehrer...
Ich werde in den nächsten Posts mal etwas über die Welt der Professoren der 80-er schreiben...ihre dritten Zähne, ihre Swim-Suites und ihre Verhältnisse zu Zahlen...Daraus könnte man fast einen "Zur Hölle mit den Profs"-Film machen...
Trotz des kurzen Kontaktes zur Philosophie im Studium hatte ich irgendwie keine Beziehung entwickelt.
Dann hatte ich meinen ersten Leistungskurs. In der 13 (heute Q3) stand Quantenmechanik an. Aber die Schüler damals gaben sich mit Formeln oder den physikalischen Regeln nicht zufrieden. Immer wieder fragten sie nach den Hintergründen...
Das Resultat: Gemeinsam betrieben wir wochenlang "Philosophie der Quantenmechanik", Der Lehrer und seine Schüler als Anfänger, auf Augenhöhe und neugierig.
Das hat mich geprägt...noch heute kann man die ganze Quantenmechanik durch einen Satz des griechischen Philosophen Plotin (205 - 270) erfassen:
Die Natur hat ein Schauen in sich, und das was sie erschafft, erschafft sie wegen des Schauens.
Und wer mal nachlesen will, wie ich Physikunterricht unter philosophischen Aspekten verstehe, sollte mal in meinen Q3-Unterrichtsblog reinschauen (auch auf die Zusatzseiten):
https://physikkursq3lichtundquanten.blogspot.com/
Ich war mal in Athen und habe dort gesessen, wo Plato seine Schüler unterrichtet hat.
Plotin lebte Jahrhunderte später, aber verbreitete Platos Lehre.
Da war sie wirklich da, die innere Verbundenheit.

So kam ich über die Physik und die Quantenmechanik zur Philosophie und begann mich zu ärgern, dass Philosophie an unserer Schule nur von Religionslehrern unterrichtet wurde.
Das passte nicht, denn ich erlebte die Philosophie als sehr religionskritisch.
Also entschloss ich mich, eine AG anzubieten: Physik und Philosophie (Anfang der 90-er).
Da machten viele Jugendliche mit und das ermutigte mich, bei der Schulleitung zu beantragen, eine richtige Oberstufen-Grundkursfolge in Philosophie anzubieten, vier Semester lang.
Das wurde genehmigt...man kann sich denken, dass einige Kolleg/innen "not very amused" waren...
Im ersten Durchgang wagte ich mich noch nicht an Ethik, aber beim zweiten Durchgang schon.
Wir sprachen über den australischen Philosophen Peter Singer. Eine Schülerin, die damals einen gehbehinderten Freund hatte, wollte sich mit Singer besonders auseinandersetzen und beantragte, bei mir in Philosophie eine besondere Lernleistung für das Abitur zu schreiben.
Und so kam es, dass die erste besondere Lernleistung unserer Schule und der Stadt Kassel bei mir in Philosophie war. Noch nie hatte jemand in der Region ein Kolloquium dazu durchgeführt.
Unseres war das erste...der ganze Prüfungsraum war voller Kolleg/innen und Schulamtsangehörige...alle wollten mal sehen, wie man es macht (oder hofften sie, sie würden sehen, wie man es nicht macht? Und ihr Vorurteil über Physiker bestätigen?).
Wir mussten sie enttäuschen. Das Mädchen bekam 15 Punkte, alle lobten sowohl die Arbeit als auch das Kolloquium.
Danach habe ich noch viele Dutzend besondere Lernleistungen (bLLs) betreut, allerdings in Physik.
Leider gibt es nur wenig (eigentlich immer weniger) Kolleg/innen, die solche Abiturarbeiten betreuen und auch durch neue Verordnungen wird es den Jugendlichen immer mehr erschwert, diese Art von Prüfung abzulegen.
Urspünglich wurden diese bLLs eingeführt, um Teilnehmer/innen an Jugend forscht eine Erleichterung im Abitur anzubieten.
Das wird aber sowohl von den Verordnungen als auch von den Schulen immer mehr blockiert.
Unglaublch, wie sich Chancen wegnehmen lassen und Entwicklungen mit Vollgas in die Vergangenheit rasen...
Jugendliche, die sich mindestens ein Jahr mit einem selbstgewählten Thema intensiv auseinandersetzen, darüber eine schriftliche Arbeit verfassen und diese in einem Kolloquium verteidigen...wie geil ist denn das!
Aber es macht auch Angst...und deshalb gibt es immer mehr Regeln, die diese Freiheit zur Unkenntlichkeit schrumpfen lassen...Was man kontrolliert, kann nicht entgleisen..., aber es kann stehen bleiben...
Sehr sehr schade...
Übrigens, als ich dann Ausbilder am Studienseminar wurde, musste ich den Philosophieunterricht aufgeben.
Aber mehrere Jahre habe ich einmal in der Woche ein "Philosophisches Frühstück" im SFN organisiert. Das Bild zeigt unsere erste Sitzung am 2.9.2012.
Thema: Das Höhlengleichnis von Plato und seine Bedeutung für die Erkenntnistheorie heute.
