
Sport...ein Albtraum für mich....ich hatte immer Angst mich zu verletzen, das Leben zu verlieren oder zumindest Arme und Beine zu brechen...
Mein Vater war in seiner Jugend sehr sportlich und in der Deutschen Handballmannschafft...zusammen mit meinem Sportlehrer in der Unterstufe..., nennen wir ihn Rudi...
Rudi und mein Vater verstanden die Welt nicht...ich als Bewegungslegastheniker, Sohn eines Leistungssportlers...
Erst mit weit über 30 Jahren änderte sich das...da ich in Höhlen wollte (das Unbekannte, nicht Überschaubare reizte mich), lernte ich nicht nur klettern, Seile aufsteigen, sondern trainierte mich auch durch Langlauf und Fußball spielen...
Kommen wir zurück, Klasse 6. Schwimmunterricht.
Wir sollten alle den Freischwimmer machen: 15 Minuten am Stück schwimmen und dann den Todessprung vom 1 m Brett.
Das Schwimmen machte ich...doch vor dem Sprung in ungeahnte Tiefen hatte ich höllische Angst.
Ich stand vorne auf dem Sprungbrett und weigerte mich.
Da kam Rudi, der Sportlehrer und setzte sich an das andere Ende des Sprungbrettes. Er hatte ein Brot und was zu trinken dabei. "Hier kommst Du nicht vorbei. Ich bleib hier sitzen, bist Du verhungerst. Es sei denn Du springst in die Freiheit..."
Er saß bis weit nach Stundenende da.
Dann gab ich nach und sprang.
Es war grausam.
Nun muss man sagen, Rudi hatte schon ungewöhnliche Methoden. Oft weigerten sich seine Schüler bestimmte Übungen am Reck oder Barren zu machen. Dann stellte er sich hinter sie und kniff sie so stark in den Hintern, dass sie voller Schmerz willenlos alles machten...
Das Reck war ja noch ganz gut...nur eine Stange. Barren ist grausam. Zwei Stangen...eine ist immer im Weg.
An diese Sportstunde erinnere ich mich noch genau und Rudi wird sie sicher auch nie vergessen haben:
Sprung über den Längskasten.
Vor dem Kasten stand so ein Sprungbrett, damit man gut und schnell hochkommt.
Ich sagte, dass ich das nicht will, ich würde bevorzugen über den Querkasten zu springen.
Da kam dann gleich die weiche Matte.
Durfte ich nicht.
Es musste der Längskasten sein.
Rudi persönlich wollte Hilfestellung geben und mich auffangen. Er stand hinten am Ende des Längskasten.
War erstmal gut. So konnte er mich nicht kneifen. Kam einfach nicht ran.
Rudi war auch nicht viel größer wie ich heute und hatte entsprechend keine 6 m langen Arme....
Also: Anlaufen. Auf das Sprungbrett springen. Hochspringen. Kopf nach vorne. Arme nach vorne, Hände bereit für den Aufsetzer...
Das Ganze dauerte bestimmt nicht mehr als 2 Sekunden...
Aber so ist es bei Nahtoderlebnissen...das ganze Leben läuft vor einem ab. So eine besondere nichtrelativistische Zeitdilatation.
Mein Leben war noch nicht so lange, 11 Jahre...da blieb viel Zeit übrig.
In dieser Zeit antizipierte ich den weiteren Ablauf des Sprunges und berechnete, dass ich kurz vor (!) Ende des Kastens mit Körperteilen vorne auftreffen würde, die besonders schmerzempfindlich sind.
Das galt es zu vermeiden!
Von wegen Bewegungslegastheniker! Ich schaffte es in der zweiten Flugsekunde mich im Flug zu kippen, so dass ich nicht mehr mit den Hände vorausflog sondern mit den Füßen.
Meine Kalkulationen hatten ergeben, dass ich dann zwar 10 cm weiter Innen auf dem Kasten auftreffe ( das Kippen verschlingt Flugstrecke), dafür lande ich aber auf dem gut gepolsterten Hintern. Das sollte schmerzfrei ablaufen.
Gerechnet. Gedreht. Getan. Mit den Füßen voraus.
Rudi hatte genau 0,8 Sekunden Zeit, um auf die veränderte Fluglage meines Körpers zu reagieren.
Aussichtslos.
Er stand da, bereit meinen Oberkörper abzufangen.
Dafür kam mein rechter Fuß. Klein, aber schnell und vor allem unerwartet..
Nun Rudi war nicht sehr groß, er konnte gerade so über den Kasten sehen...
Und so traf ich Rudi voll im Gesicht.
Er ging zu Boden. Ich dagegen landete erwartungsgemäß und schmerzfrei mit dem Hintern auf dem Kasten auf.
Theorie durch Messung bestätigt.
Rudi lag unten neben dem Kasten. Nasenbeinbruch, blutüberströmt, K.O.
Upps...
Ich brauchte nie wieder eine Übung zu machen, die ich nicht wollte.

Ja, manchmal kann man auch Lehrer erziehen....
Falls Rudi das jetzt per intergalaktischer Himmelsmail liest:
Es tut mir wirklich leid, besonders dass ich damals gelacht habe...
Aber Du bist ja selbst dran schuld.
Übrigens : Boxen...das mit Fäusten Aufeinandereinschlagen bis einer ohnmächtig umfällt, halte ich heute immer noch für pervers....
Ich mach das mit den Füßen...
Bin ich der Erfinder des Kick-Boxens?
(Bilder: wikipedia, youtube)