Der Schulstoff
Schauen wir uns mal ein Video an: Sheldon Cooper geht als Doppler-Effekt auf eine Party.
Eine schöne Einführung zum akustischen Dopplereffekt.
Dann lernt man im Unterricht die beiden Fälle "bewegter Empfänger" und "bewegter Sender" kennen. Nicht das man die Formeln herleiten können muss, die Mathematik ist zwar schultauglich aber länglich...man lernt nur zu erkennen, wann welcher Fall vorliegt und wo dann welche Formel nachgeschlagen werden kann.
Der Rest ist Einsetzen von Zahlen.
Die Krönung ist dann die Kombination beider Fälle. Die kommt sogar bei fliegenden Fledermäusen vor...der sich bewegende Sender empfängt sein eigenes reflektiertes Signal als dann sich bewegender Empfänger.
Da lernt man was fürs Leben als Fledermaus, oder als Musiker: Ein Trompeter rennt auf eine Wand zu und spielt einen bestimmten Ton. Mit welcher Frequenz hört er den reflektierten Ton?
Der Unsinn oder besser: Was seltsamerweise richtig ist:
- Man hört bei einem vorbeifahrenden Auto nicht den Doppler-Effekt
Sheldon ist zwar klug...aber den Doppler-Effekt hat er nicht richtig verstanden. Das Geräusch, was er vormacht, ist nicht der Doppler-Effekt sondern die akustische Umsetzung einer (Arc-)Tangensfunktion über den Dopplereffekt.
- Das Licht von Galaxien ist nicht wegen des Doppler-Effektes rotverschoben!
Die Bewegung der Galaxien im Kosmos wird oft komplett als Doppler-Effekt gedeutet. Ist es aber nicht, denn die beobachtete Rotverschiebung entsteht durch die kosmische Expansion, also durch Einwirken der Dunklen Energie. Da bewegt sich nichts....und wo sich nichts bewegt, gibt es keinen Dopplereffekt.
- Den Doppler-Effekt hört man auch, wenn sich der Sender nicht in Blickrichtung bewegt.
Der Doppler-Effekt tritt also auch auf, wenn die Bewegung ausschließlich senkrecht zur Blickrichtung verläuft. Denn auch hier gibt es eine Frequenzänderung durch die relativistische Zeitdilatation. Das nennt man den transversalen relativistischen Dopplereffekt. In bewegten Systemen verlaufen Schwingungen langsamer, das führt zu einer Verkleinerung der Frequenz, also zu einer Rotverschiebung bei Licht und zu einem tieferen Ton bei Schall, vollkommen unabhängig von der Bewegungsrichtung..
- Kielwellen haben nichts mit dem Doppler-Effekt zu tun.
Was bei Kielwellen von Schiffen oft als machscher Kegel verkauft wird, ist keiner...das hat eben nichts mit dem Doppler-Effekt zu tun, sondern diese Wellenform ist ein wellenlängenabhängiger Interferenzeffekt. Da gehen wir hier aber nicht drauf ein.
Was fehlt
Der Doppler-Effekt bei Schall ist zwar ganz nett, aber wesentlich bedeutender ist der Doppler-Effekt bei Licht. Einmal gibt es nur einen Fall und eine Formel, und zum anderen gibt es wirklich weltbildverändernde Anwendungen (und Doppler hat ihn ursprünglich für Licht beschrieben):
1) Durch den Doppler-Effekt hat man die Dunkle Materie entdeckt.
Durch Beobachtungen von Bewegungen lassen sich die Massen von Sternen oder Galaxien bestimmen. Das hat zur Entdeckung der Dunklen Materie geführt, die fünfmal häufiger als alle sichtbare Materie der Sterne und Galaxien ist.
Das ist die eigentliche Substanz unseres Kosmos.
2) Der Doppler-Effekt zeigt uns, welcher Stern Planeten hat
Über den Doppler-Effekt sind tausende fremder Planeten entdeckt worden. Es gibt Milliarden von Erden im Universum.
Wir sind nicht allein im Universum.
Das Extrafutter
Konserve 1:
Ich will hier keine Postserie draus machen. Fast alles ist in meinem Unterrichts-Blog über Licht und Quantenmechanik ausführlich dargestellt.
Man gehe auf https://physikkursq3lichtundquanten.blogspot.com
und lese sich die Posts 156 bis 164 durch. Fast alle Posts findet man auch über das Label Doppler-Effekt oder über die Blog-Suchmaschine.
Konserve 2:
Und warum die Rotverschiebung der Galaxien kein Dopplereffekt ist, habe ich in meinem Astronomie-Blog oft ausführlich erklärt:
Eine ganze Postserie heißt: Wenn Sterne und Galaxien rot werden.
Sie startet hier:
https://astronomiekassel.blogspot.com/2020/08/wenn-sterne-und-galaxien-rot-werdenteil.html
und kann im Blog www.astronomiekassel.blogspot.com auch gut über die Suchmaschine gefunden werden.
Um es noch einmal klar zu sagen: Die Rotverschiebung des Lichtes weit entfernter Galaxien, entsteht, weil sich der Ortsmaßstab während der Lichtausbreitung vergrößert. Populär gesagt: weil sich der Raum ausdehnt und mit ihm auch die Lichtwellen.
Was die Galaxien selbst machen, spielt keine Rolle...ob die sich bewegen oder nicht, ist völlig egal.
Frischfutter:
Eine Sache möchte ich hier aber erklären:
Warum hören wir bei Sheldon nicht den Dopplereffekt, sondern die (Arc-)Tangensfunktion?
In der Abbildung ist die Grundidee dargestellt:
Wir vernachlässigen die geringe Frequenzerniedrigung durch die relativistische Zeitdilatation. Dann spielt nur die Geschwindigkeitskomponente in Blickrichtung des Empfängers eine Rolle.

Bild 1: Zerlegung der Bewegung in Radial- und Tangentialgeschwindigkeit (ESO)

Bild 2: Beim Vorbeiflug mit konstanter Eigengeschwindigkeit (rot) ändert sich der Anteil der Radialgeschwindigkeit (grün), auf der Höhe des Beobachters tritt ein Vorzeichenwechsel ein (leifi)
Diese wird durch den Sinus des Blickwinkels des Empfängers zum Sender bestimmt. Und der Winkel ändert sich mit einer Arkustangens Funktion der Ortskoordinate des Senders.
Diese Funktion macht einen mehr oder weniger gebogenen Knick, wenn der Sender direkt neben dem Empfänger steht. Diesen Knick hört man auch in der Frequenzveränderung. Und das ist Sheltons Geräusch, das ist das Abfallen der Sirene, wenn ein Krankenwagen an uns vorbei fällt.

Bild 3: Geometrie des Vorbeiflugs
Mein Schüler Leon Nitsche hat im Frühjahr 2021 das ausgearbeitet und den Frequenzgang beim Vorbeifahren in einer Simulation dargestellt.
(Achtung: sein Rettungswagen kommt von links, meiner von rechts...)
Ist der Rettungswagen weit entfernt, so hört man eine nahezu konstant höhere Frequenz. Unmittelbar vor dem Vorbeifahren reduziert sich die gehörte Frequenz, um dann schnell auf einen nahezu konstanten niedrigen Wert zu gehen. Diese "S-förmige" Kurve ist es, was Sheldon inspiriert.

Bild 4: Frequenzgang ohne Laufzeiteffekt (v<c), Leon Nitzsche
Neue Berechnungen durch Leon im Juli 21 haben gezeigt, dass die Berücksichtigung der Laufzeitänderung des Signals durch den sich verändernden Abstand zwischen Sender und Empfänger den Sheldon-Effekt verstärken. Sie werden besonders wichtig bei Geschwindigkeiten des Senders im Bereich der Schallgeschwindigkeit und darüber.
Dieses Extrafutter wird jetzt zu gewaltig...aber Leon wird es auf dem nächsten MINT Kongress im September 21 vorstellen.