Nun kommen wir zu den Überlegungen der Theoretiker.
Wäre das Myon einfach nur eine geladene Kugel, so würde man kein magnetisches Moment ausrechnen können. Nur wenn diese Kugel auf einer Bahn im Kreis läuft, kann die klassische Physik ein Magnetfeld bestimmen.
Wie das geht haben wir im letzten Post für ein Elektron gelernt.
Das so berechnete Magnetfeld des Elektrons passt nicht, es ist nur halb so groß wie das gemessene Magnetfeld.
Paul Dirac, der große schweigsame spätere Nobelpreisträger, hat 1928 das Elektron mit einer Theorie beschrieben, die sowohl die Quantenmechanik als auch die Relativitätstheorie berücksichtigt (relativistische Quantenmechanik). Seine "Dirac-Gleichung" gilt als die Wellengleichung der relativistischen Quantenmechanik.
Wir werden sie nicht hinschreiben, denn sie nutzt mathematische Objekte, mit denen wir gar nicht rechnen könnten.
Löst man diese Gleichung für ein Elektron oder Myon, so erhält man das richtige Magnetfeld:
M = 2*e/(2m) * S , also g= 2.
Das Magnetfeld des Elektrons, und damit auch das aller Stabmagnete, ist also auch ein relativistischer Effekt (für das Myon gilt das auch, nur baut man keine Stabmagnete mit Myonen, die wären zu kurzlebig...)
übrigens: 1986 hat der uralte Prof. Hund den alten Paul Dirac inteviewt. Eines der spannendsten und tiefgründigsten gespräche, denen ich je lauschen durfte...
Hier kann man zuhören:
https://astronomiekassel.blogspot.com/2021/04/ein-schmankerl-prof-hund-interviewt.html
Und nun müssen wir aber einen Schritt weiter gehen, sozusagen über Dirac hinausgehen.
Wir sehen und messen gar nicht das eigentliche Myon.
Das, was wir Myon nennen ist ein zentrales Objekt mit den Eigenschaften, die wir einem Myon zuordnen, plus die Umgebung dieses zentralen Objektes.
Man kann sich das so vorstellen: Das eigentliche Myon ist so winzig, dass wir nur seine Umgebung messen und beobachten können.
Diese Umgebung enthält aber virtuelle Objekte, Vakuumfluktuationen.
Das sind alle möglichen Objekte, wie Photonen, andere Myonen und Elektronen, Positronen..., die gemäß der Unbestimmtheitsbeziehung auftauchen und in extrem kurzer Zeit wieder verschwinden.
Im Mittel aber ist da immer etwas um das Myon herum, was auch Ladungen und Magnetfelder hat.
Das kann man in der Quantenelektrodynamik QED berücksichtigen. Feynman hat dazu seine berühmten Feynman Diagramm entwickelt.
Einige Posts früher habe ich dazu schon etwas geschrieben:
https://www.natur-science-schule.info/post/das-vakuum-ist-nicht-leer
Macht man das, so erhält man bei einem Elektron oder Myon einen Wert für g, der von 2 verschieden ist.
Wenn man den g-Wert genau berechnen will, muss man alle virtuellen Objekte berücksichtigen, die im Vakuum um das Elektron herum fluktuieren können. Also eigentlich auch Hochhäuser und Käseecken, die auftauchen und wieder verschwinden. Sie sind aber nur so extrem kurz vorhanden, dass man guten Gewissens ihre Wirkungen auf den g-Faktor vernachlässigen kann.
Jorge Cam hat das in einem Comic für APSphysics schön illustriert:

Wir fassen zusammen:
Die richtige Berechnung des g-Faktors vom Myon oder Elektron erfordert die Berücksichtigung der Vakuumfluktuationen in Form von Elektronen, Photonen, Myonen, aber nicht von Käsecken und Bowling-Kugeln.
Die QED macht das sehr genau und so muss man sehr genau messen, um die Aussagen der Theoretiker zu testen.
Und da kam etwas Unerwartetes heraus...