Ich muss doch noch einmal (denke, das ist das letzte Mal) auf Höhlen zurückkommen. Ich merke immer mehr, wie sehr mich diese Erfahrungen geprägt haben.
Als Kind wollte ich schon immer in dunkle Höhlen krabbeln, ich denke an kleine Löcher am Scharfenstein bei Kassel.
Bis einmal ein befreundeter Geologe mir anbot, mich auf eine Höhlentour mitzunehmen. Es war eine winzige Höhle im Hainholz, südlich vom Harz. Wir übten vorher das Schlufen (so nennt man das Krabbeln in einer Höhle) unter Stuhlbeinen. Vor Aufregung konnte ich in der Nacht vorher nicht schlafen.
Und dann schlufte ich durch die Jettenhöhle...sie hat einen winzigen Eingang und eine lange, sehr enge und gewundene Röhre unter der Erde, die in einer großen Halle endet. Von dort kommt man dann ins Freie (siehe Bild).

In den Jahren danach bot ich an den sog. Projekttagen der ASS zusammen mit einem Kollegen, der Bergsteiger war, immer ein Höhlenprojekt an. Zum Abschluss krabbelten, nein besser schluften, wir dann mit etwa 20 Jugendlichen durch die wirklich sehr engen Röhren (teilweise musste man den Helm voran schieben und sich auf Fingerspitzen nach vorne ziehen...).
Die Namensliste der Teilnehmer/innen wurde immer im Mitteilungsbuch veröffentlicht. Einmal stand da ein Name, bei dem mich alle Kollegen angesprochen haben: "Wie kannst Du den denn mitnehmen?"
Meine Antwort: "Gerade den will ich mitnehmen, vielleicht ist so eine Tour die Herausforderung, die er braucht."
Schon damals merkte ich, dass Schüler sich anders verhalten, wenn man ihnen nicht als Lehrer begegnet.
Angekommen an der Höhle teilte ich die Gruppe auf. Ich ging als erster, in der Mitte der Kollege und für das Ende suchte ich einen Schüler. Ich fragte, wer sich das zutraut, die Verantwortung am Ende zu übernehmen.
Der besagte Junge meldete sich und ich gab ihm kurz einige Hinweise. Denn in den engen Gängen bei einer so langen Gruppe kann man weder umkehren noch sich austauschen. Da muss man sich aufeinander verlassen können.
Nun, es ging gut...er trat als letzter aus der Halle raus...meldete den ordnungsgemäßen Ablauf und dass alle wohlbehalten draußen seien. Hinterher erfuhr ich von den anderen, dass er sich liebevoll und fürsorglich um die Mitschüler/innen gekümmert hat.
Ich habe gelernt, dass Vertrauen geben gut ist und Menschen weiterbringt.
Was er gelernt hat? Ich kann es nur erahnen...
Kommen wir noch mal auf den Kollegen zurück...
Er hat mir das Klettern am Seil beigebracht. Ich stand einmal im Todtsburger Schacht an einem tiefen schräg verlaufenden Schacht, den man ohne Seil nicht befahren kann.
In uns reifte der Wunsch, hier nicht aufzuhören, sondern weiter in das Unbekannte zu dringen.
Anweisungen für die Single-Rope-Technik gab es vor 40 Jahren kaum. So fragte ich den Bergsteiger-Kollegen, ob er mir nicht das Seilklettern beibringen kann und ich wollte es dann den anderen aus der Gruppe erklären und wir wollten es als Höhlentechnik abändern..
Gesagt, getan...an einem Samstag standen wir an einem hohen Aussichtsturm. Er machte das Seil am Treppengeländer fest und mich dann am Seil und zeigte mir kurz, wie das Abseilen im Treppenschacht geht...
Dann forderte er mich auf, über das Geländer zu steigen und mich abzuseilen.
Zum ersten Mal sollte ich mein Leben über der 15 m tiefen Betonplatte des Bodens einem 10 mm dicken Seil anvertrauen...
Verzweifelt klammerte ich mich am Geländer fest, nicht bereit, los zu lassen.
Für meinen Ausbilder kein Problem...
"Ich geh jetzt runter in den Ort und trinke Kaffee...nachher schaue ich mal, ob Du noch hier hängst..."
Ja, er war ein großer Motivator! Während er die Treppe runter ging, seilte ich mich schnell ab, denn ich wollte, dass er mir noch helfen kann, wenn nötig...
Manchmal bleibt einem gar nichts anderes übrig, als zu vertrauen.
Ein bisschen merke ich beim Erinnern und Schreiben, wie sehr mich diese Höhlentouren in den 80-ern geprägt haben. Im SFN kann ich Teams Selbstvertrauen schenken und ihnen vertrauen, dass sie ein eigenes Projekt auch allein hinbekommen.
Schlufen und Klettern oder Planen und Forschen...ohne Vertrauen geht das nicht.