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Verschollen auf der Insel des Grauens...

Klingt dramatisch. Ist es auch.

Mehrmals war ich für längere Zeit in West - Grönland unterwegs.

Ich besuchte Schulen, Kraftwerke, Fischer, Grönländer in ihren Wohnungen (sie haben alle eine Tiefkühltruhe im Wohnzimmer und der TV läuft rund um die Uhr, auch wenn oft nur ein Testbild kam...), interviewte Bürgermeister und Krankenschwestern, Kraftwerksbetreiber, besuchte Kliniken...kurz ich tauchte in das Leben der Inuit ein. Ich wanderte aber auch durch die Fjorde, kletterte über Skelette an den Küsten (früher brachten sich die Alten um, damit sie nicht zur Last für die Familien wurden) und stieg auf das Inlandeis.

Bilder habe ich keine, aber aus der Filmdokumentation habe ich einige Screenshots gemacht.


Aufstieg zum Inlandeis

Reisen in Grönland ist spannend. Man landet auf dem internationalen Flughafen in Kangerlussuaq und steigt dort um...in Hubschrauber, Schiffe oder kleine Inlandsflugzeuge und arbeitet sich so nach Norden vor. Fast 700 km weiter nördlich liegt der kleine Ort Upernavik auf einer 2,7 km² großen Insel (das ist weniger als die Innenstadt von Kassel). Etwa 1000 Einwohner gibt es, am Hafen ein Café, das Bed und Breakfast in vier kleinen Zimmern anbietet.

Über viele Zwischenstationen bin ich 2002 mit Schiffen nach Norden gefahren und habe mich eine Woche im Café einquartiert.

Viel kann man da nicht machen. Es gibt einen Supermarkt, bei dem man mittags warmen Eintopf bekommt, eine Schule, ein Kraftwerk, ein Altersheim und einen Flugplatz. Und Handys funktionierten damals noch nicht so weit im Norden.

Ich drehte einen Dokumentarfilm über Grönland und knüpfte natürlich Kontakte.

Drei Geschichten will ich erzählen...


Hochmut kommt vor dem Fall

Ich interviewte den Leiter der Schule, an die 300 Kinder und Jugendliche bis zur Klasse 10 gehen. Wer dann weiterlernen will, muss die Insel verlassen.

Ich war gespannt etwas über die Unterrichtsmethoden zu erfahren und berichtete über meinen Ansatz des konstruktivistischen Lernens.

Der Schulleiter lächelte...: "das machen wir hier schon seit Jahren." Es gibt keine Klassen, sondern Projektgruppen. Dort arbeiten die Jugendlichen jahrgangsübergreifend. Ihre Projektmappen und die Diskussion durch die Lehrer fassen sie zu einem Portfolio zusammen. Damit bewerben sie sich.

Sie wären entsetzt, wenn sie in eine deutsche Schule müssten....

Ich war begeistert. So sollte Schule sein. Das was sich damals machte, war ein zartes Pflänzchen gegen das, was hier Alltag war. Und ich bekam trotzdem unendlich viel Gegenwind durch meine Kolleg/innen...Deshalb fragte ich den Schulleiter, wie der denn das Kollegium überzeugen konnte, so zu arbeiten.

Seine Antwort: "Ganz einfach. Wir haben sie ein halbes Jahr alle ausgebildet. Und wer danach nicht so mitmachen wollte, wurde entlassen."

Punkt.

Ja, so einfach geht es am Ende der Welt....


Die Insel des Grauens

Auf dem Hinweg nach Upernavik machte ich in Uummannaq Station. Hier lebten sogar 1400 Menschen und es gab ein richtiges Hotel.


Uummannaq - die Insel mit dem steinernen Herz

Südlich von Uummannaq liegt eine Insel (Storoen), die klippenartige Berge hat und spannend aus der Ferne anzusehen war. Das machte mich neugierig. Ich ging zum Hafen und suchte einen Fischer mit Boot. Ich fand einen, der einen Hauch von Englisch verstand.


Ich erzählt ihm, dass er mich an die Südspitze der Insel bringen sollte und mich dann abends am Nordteil abholen sollte.

Am anderen Morgen ging es los...

Ich ging an Land...das Boot fuhr fort.


Abschied von einem Fischermann

Das war wirklich ein seltsames Gefühl der totalen Einsamkeit....wie gesagt, Handy ging nicht...toll...

Traumhaft: Ich allein mit der Welt

Also machte ich mich auf den "Weg" nach Norden....Klippe rauf, Klippe runter, Klippe rauf...dann zog dichter Nebel auf....ich sah nichts mehr...

Meine Idee war: Erst einmal runter gehen...denn bergab als Richtung spürt man auch im Nebel...

Also tastete ich mich nach unten bis es wieder hoch ging.

Dann traf ich eine wichtige Entscheidung...weitere 12 km so nach Norden gehen...das klappt nicht...

Die Insel ist schmal, vielleicht 2...3 km breit...ich bin unten und unten ist das Meer...also gehe ich so lange nach links bis ich das Rauschen höre.


Nach zwei Stunden war es soweit...es war ja unwegsames Gelände, keine ausgebauten Wanderwege...

Ich sah den steinigen Strand und hörte das Meer.

Gegen Abend lichtete sich auch der Nebel.

Und ich hatte Glück. Der Fischer hatte mich nicht am Nordstrand gefunden, sah auch den Nebel und kam auf die Idee die Westküste mit dem Boot abzufahren. Gegen Mitternacht (es wird da nicht dunkel) sah ich ihn und er mich...

Wir lagen uns in den Armen...er war genau so froh wie ich...und er brachte mich zum Hafen zurück.

Rückfahrt von der Insel des Grauens....

Den ausgehandelten Lohn habe ich verdoppelt.


Good bye...oder auch nicht...

Ich bin wieder im Norden...

Der Tag des Abfluges in Upernavik kam.

Nun muss man sagen, dass auf der Insel keinen Platz für einen Flughafen existiert.

Also hat man den zentralen Berg oben abgetragen, platt gemacht und eine Landebahn gebaut...die in großer Höhe anfängt und einfach auf der anderen Seite aufhört.


Blick auf die Landebahn

Wer da startet und landet, muss gut geübt haben...


Ich hörte das Flugzeug...aber es landete nicht, da eine dichte Wolke am Berg hing...noch viermal versuchte der Pilot die Landebahn zu finden (Instrumentenlandesysteme gab es dort und damals nicht).

Vergeblich...er zog ab...

Durchsage: "Der Flug ist gestrichen. In einer Woche versuchen wir es noch einmal."


Manchmal einmal in der Woche....

Da kam Panik in mir auf...


Noch eine Woche im Kreis gehen???


Ich hechtete mit Koffer zum Hafen...ich hatte Glück...ein Frachtschiff wurde gerade beladen...ich fragte den Käpten, ob er mich mitnehmen würde, in den Süden zum nächsten Hafen.

Er sagte ja, aber er braucht 2 Tage.

So begann eine abenteuerliche Rückfahrt in den mittleren Teil von Grönland.

Ich musste zwar andere Besuche etwas kürzen...kam aber rechtzeitig zum Rückflug in Kangerlussaq an...


Versteht ihr jetzt, warum ich keine Pauschalreisen nach Malle mag?





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