...mir nicht...
Musikunterricht in den 60-ern war schon seltsam....
In der 5.Klasse mussten wir Atemübungen machen: ZK, PK, PF, PT und sonstige Laute ausstoßen...
Einmal hatten wir am Rosenmontag Unterricht und unser Musiklehrer hatte wohl schon kräftig gefeiert...aber er konnte noch sitzen und auf das Klavier einwirken und spielte uns eine Stunde lang Karnevalslieder vor und sang sie lautstark mit.
Auf diesem Klavier habe ich auch meine Musiknote festgelegt. Einem anderen Musiklehrer habe ich da ein Stück vorgespielt...seitdem hieß ich nur "Haupt, der Pianist" und hatte in Musik bei diesem Lehrer immer eine -1-, egal was ich gemacht habe (ich konnte eher durchschnittlich spielen...)
Dieser Lehrer war auch Gast bei meiner mündlichen Abitur-Prüfung in Mathe...da bekam ich (ausnahmsweise verdienterweise) auch eine -1-.
Sein Kommentar: "Ich wusste gar nicht, dass Du auch ein Mathematiker bist...".
Ihm war vielleicht entgangen, dass viele Naturwissenschaftler auch Spaß an Musik haben und ein Instrument spielen.
Muss was mit den Gehirnen zu tun haben...da gibt es sicher Theorien zu....

Als Lehrer hatte ich dann meinen einzigen öffentlichen Auftritt als Pianist. Ein Kasseler Mathematikprofessor hatte die "Hauptsatz-Kantante" komponiert. Ein klassisch wirkendes Musikstück, eben eine Kantate, in dem unter Klavierbegleitung ein Chor den Hauptsatz der Differenzial- und Integralrechnung singt, ebenso den Beweis und die Anwendungen...
Ich hatte Ende der 80-ger einen Physik-LK und ein Kollege fast die gleichen Jugendlichen im Mathe-LK. Ich konnte Klavier spielen und er konnte singen und hatte Chorerfahrung.
Also führten wir auf der Abi-Feier diese Hauptsatzkantate im Beisein des Komponisten vor.
Leider verstarb er kurz nach dieser Aufführung. Es war eine der ersten.
Standing Ovations...nur die Musiklehrer waren leicht reserviert.. wie wir es denn wagen konnten...
Aber es war unglaublich toll.. die Proben, dann der mehrstimmige Gesang und die Aufführung.
Wir haben damals kein Video gemacht, nur eine Tonbandaufnahme, die verschollen ist...aber wer mal wissen möchte, wie sie klingt, hier ein aus dieser Zeit stammendes YouTube - Video:
Übrigens, diesem zweiten Musiklehrer musste ich mal aus der Klemme helfen...
Er hatte sich nach dem Unterricht verspätet. Er sprach mich an, dass ich ihn nach Hause begleiten sollte (er wohnte fast auf der anderen Straßenseite). Dort musste ich seiner Frau bestätigen, dass er sich in der Schule verspätet hat und nichts anderes getan hat.
Ich tat das...und sie nahm das Nudelholz wieder runter...

Wie lief Musikunterricht damals ab?
Wir hatten einen tragbaren kleinen Plattenspieler mit angeschlossener Lautsprecherbox, mono natürlich.
Da hörten wir uns klassische Stücke an. Aber immer nur ca. 30 Sekunden und immer nur die gleiche Stelle...die Platte war dort entsprechend verkratzt und es klang wie eine Grammophonaufnahme des frühen 20.-Jahrhunderts...
(Bild: Blazejewicz, Volks- und Freilichtmuseum Roscheider Hof)
Andere Szene:
Mitglieder für den Schulchor wurden gesucht. Zwangs-Vorsingen im Musikunterricht war angesagt.
Ich hatte keine Lust auf die zusätzliche Chorprobe, jede Woche....wollte mir aber meine Klavier-erprobte-Musiknote nicht verderben (was bei einer Weigerung garantiert passiert wäre). Also sang ich absichtlich falsch und mit knarrender Stimme...
Mein Musiklehrer: "Ja, Haupt, ich hoffe Du bist nicht enttäuscht. Aber Du bist voll im Stimmbruch...etwas früh für Dein Alter, aber naja..., da kann ich Dich für den Chor nicht gebrauchen. Aber Du bist und bleibst ja unser Pianist.".
Innerlich habe ich gejubelt. Plan aufgegangen. Keine Chorproben. Musiknote gesichert.
Ich war erst 11 Jahre alt und schon soooo raffiniert...

Ich mag Musik, alles von der Oper, Mozart, Beethoven bis zu Rock und Techno....ja manchmal höre ich auch Schlager und Heimatmusik....Europaweit besuche ich Musicals und bin Dauergast bei den Bregenzer Festspielen.
Bestimmt 15 Jahre habe ich auch kein Klavier mehr gespielt...einerseits hatte ich keine Zeit dazu, andererseits war die Fingerfertigkeit nach einem Fingerbruch weg...
Aber erst vor kurzem habe ich mir eine neue Orgel gekauft, die alles kann, was ich nicht kann und mich orchestral bei allem begleitet, was ich spiele.
Die Liebe zur Musik ist bestimmt nicht durch den Schulunterricht entstanden, aber er hat sie auch nicht zerstören können.
In meinem Physikunterricht ist in der E-Phase immer das Thema "Musikinstrumente" dran.
Am Beispiel stehender Wellen lernen wir die Funktionsweise von Klavier, Gitarre, Orgel etc. kennen, verstehen was "Spielen" und "Stimmen" bedeutet. Besonders spannend wird es, wenn wir erfahren, dass die tiefen Töne auf Klavier, Pauke, Glocke gar nicht physikalisch erzeugt werden, sondern in unserem Gehirn durch die Obertöne konstruiert werden.
Das habe ich mal zusammen mit einem Musiklehrer (einem leider viel zu früh verstorbenen engagierten und genialem Menschen) in diesem Jahrhundert mal untersucht und erfahrbar gemacht.
Bei diesen Unterrichtsreihen ist mir aufgefallen, dass vor 40 Jahren noch viele Jugendliche Erfahrungen mit Gitarren hatten und sie auch mitbringen und etwas vorspielen konnten. In den letzten beiden Kursen war nicht eine Person, die eine Gitarre hatte oder spielen konnte.
Schade.