Der Schulstoff: Comptoneffekt
Ein Kristall wird mit Röntgenstrahlung bestrahlt. Dasbei treffen die Röntgenphotonen auch auf Elektronen und können Energie und Impuls übertragen: Photon und Elektron verhalten sich wie bei einem klassischen Stoß zweier Teilchen.
Die Anwendung des aus der klassischen Mechanik bekannten Energie- und Impulserhaltungssatzes beschreibt den Vorgang sehr gut.
Da das Photon beim Stoß Energie abgibt, wird es, abgelenkt, mit geringerer Energie, also längerer Wellenlänge, weiterfliegen.

aus Leifi-Physik
Die Differenz der Wellenlänge zwischen ankommender und gestreuter Strahlung hat Arthur Compton (1892-1962) 1922 aus den Energie- und Impulserhaltungssätzen herleiten können. Je größer der Streuwinkel (Ablenkung des ankommenden Photons) ist, desto größer wird seine Wellenlänge, d.h. die Energieabgabe.

Die größte Änderung der Wellenlänge tritt ein, wenn das Photon am Elektron reflektiert wird. Bei diesem Rückstoß gibt es die meiste Energie an das Elektron ab.
Die halbe Wellenlängenänderung in diesem Fall nennt man auch Comptonwellenlänge.
Bedeutung
Erkenntnistheoretisch gesehen ist dieses Wissen für Lernende unwichtig, aber es lassen sich leicht Abituraufgaben dazu formulieren. Eine Herleitung über Impuls- und Energieerhaltungssätzen wird in der Schule schon lange nicht mehr verlangt. Die Comptonformel wird einfach mitgeteilt.
Historische Betrachtung:
Einstein hat 1905 die Theorie des Photoeffektes (Auslösung von Elektronen aus Metallen durch Lichteinfall) entwickelt und den Begriff des Teilchenstromes für Licht geprägt. Die Vorstellung von Photonen war aber extrem umstritten.
Erst als man 1923 den Comptoneffekt so wie heute noch in der Schule üblich als Stoß fehl interpretierte, setzte sich die dennoch richtige Vorstellung von Photonen durch. Der Name Photon selbst wurde aber erst 1926 durch den Biologen Lewis eingeführt.
Eine Fehlinterpretation hat also zur richtigen Vorstellung geführt, aber sie hat sich auch bis heute in der Schulphysik gehalten.
Das Extrafutter
Licht besteht weder aus Wellen noch aus Teilchen, sondern aus Quanten, die sich in bestimmten Situationen wie Wellen, in anderen Situationen wie teilchenartige Objekte verhalten.
Den Comptoneffekt kann man widerspruchsfrei beschreiben, wenn man sowohl das Photon als auch das Elektron als Teilchen auffasst, so hat es Compton gemacht und so macht man es in der Schule.
Genau so widerspruchsfrei wird aber die Beschreibung, wenn man für das Photon eine Welle und auch für das Elektron eine Welle annimmt.
Somit kann der Comptoneffekt auf keinen Fall als Hinweis auf "Teilcheneigenschaften von Licht" interpretiert werden.
Nur die Beschreibung Teilchen-Teilchen oder Welle-Welle für Photonen und Elektronen sind jeweils in sich konsistent.
Dieser historische Fehler wird Jahr für Jahr im Unterricht wiederholt.
Es lässt sich sogar zeigen, dass die Interpretation des Photoeffektes durch eine Teilchenvorstellung im Widerspruch zum Comptoneffekt steht: Energie- und Impulserhaltungssatz erfordern, dass ein Photon nicht seine gesamte Energie an ein Elektron abgeben kann, so wie es beim Photoeffekt der Fall ist. Nur die Interpretation des Photoeffektes als Quantensprung des Elektrons ist widerspruchsfrei zum Comptoneffekt.
In der Schulphysik werden Photo- und Comptoneffekt weiterhin unabhängig voneinander zur Stärkung einer (falschen) Teilchenvorstellung von Licht herangezogen.
Interpretiert man also den Comptoneffekt als Stoß zweier Teilchen, so widerspricht das dem Photoeffekt.
Was passiert beim Comptoneffekt?
Der Comptoneffekt ist eine nach den Regeln der Quantenelektrodynamik QED ablaufende Wechselwirkung zwischen Photon und Elektron. Dabei sind aber fünf Objekte beteiligt. Es ist also Unsinn von einem Stoß zweier Teilchen zu reden.
Ich beschreibe einfach mal den Ablauf des Comptoneffektes. Es gibt allerdings mindestens zwei Möglichkeiten, die durchaus als Überlagerung auftreten können:
Wir benötigen den Begriff des virtuellen Objekts: Ein Objekt heißt virtuell, wenn es für kurze Zeit unter Verletzung des Energieerhaltungssatzes aber konform mit der Unbestimmtheitsbeziehung von Energie und Zeit auftritt.
Siehe auch die Posts:
Der Kult um die Erhaltungssätze https://www.natur-science-schule.info/post/der-kult-um-die-erhaltungss%C3%A4tze
und
Das Vakuum ist nicht leer
https://www.natur-science-schule.info/post/das-vakuum-ist-nicht-leer
- Das ankommende Photon erzeugt mit dem Elektron ein virtuelles Elektron, das sich dann in ein neues Elektron und ein neues Photon umwandelt.
-Das Elektron strahlt ein Photon ab und wird zu einem virtuellen Elektron. Ein anderes Photon (das ist das ursprünglich als ankommend gedachte Photon!) bringt die fehlende Energie und macht das Elektron wieder real.
In beiden Fällen sind 5 Objekte beteiligt.
Um es deutlich zumachen: Das wegfliegende Photon ist ein anderes Objekt als das ankommende Photon, denn Photonen können keine Teilenergie abgeben, nur alles oder nichts...
Das alles beschreibt die QED durch Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren und Feynman stellt diese Prozesse durch seine sehr anschaulichen Feynman-Diagramme dar.

Das alles hat mit dem Stoß zweier Teilchen nur gemeinsam, dass in makroskopischen Zeiten gesehen Energie- und Impulserhaltungssatz erfüllt sein müssen.
Das gilt aber auch für Achterbahnfahrten... und die dienen auch nicht zur Interpretation des Comptoneffektes...außer, dass der Wechsel zwischen Fehlinterpretation und richtigen Vorstellungen zum Comptoneffekt in der Geschichte der Physik einer Achterbahnfahrt gleicht.
Die Abituraufgaben sorgen gerade für eine rasante Talfahrt...